„Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?“
Das Erste, was einem bei einem Rundgang durch die IBB auffällt, ist der freundliche Empfang. Man fühlt sich sofort zuhause. Das Zweite, was einem auffällt – vor allem, wenn man das Glück hat, noch einen Moment auf seinen Gesprächspartner warten zu müssen –, sind die Bilder, die gegenüber dem bequemen Sofa an der Wand hängen. Es sind nicht die üblichen großformatigen Drucke, wie man sie sonst in den Empfangsbereichen fast jeder größeren Firma findet.
Ich betrachte mir eins der Bilder genauer. Es geht etwas Besonderes von ihm aus. Es zeigt etwas, das eine abstrakte Blume sein könnte. Verschiedene hellblaue und gelbe Spiralstrukturen bewegen sich aus der Mitte des Bildes heraus. Es hat etwas Offenes, Inspirierendes. Dann fällt mir auf, dass es, wie jedes einzelne Bild hier, ein Original ist. Ein kleines Schildchen verrät den Titel und den Namen des Künstlers. Und gibt eine Inventarnummer an. Eine fünfstellige Zahl. Es scheint also viele von diesen Bildern zu geben und, tatsächlich, wenn man durchs Haus geht, sieht man sie überall: im Treppenhaus, in den Fluren.
Etwas verstohlen schaue ich bei Wikipedia nach, was es über den Künstler zu wissen gibt. Oha! Auch wenn ich als interessierter Banause den Namen nicht kenne, so scheint es doch ein durchaus renommierter Künstler zu sein. Echte Kunst also, wohin man sieht. Neugierig wie ich bin, frage mich: „Wie kommt eine Bank zu so vielen Kunstwerken? Ist es ein Teil der Investmentstrategie?“ Ich weiß ja, dass die Beleihung von Kunstwerken einen Teil des Geschäfts der Bank ausmacht. Doch das ist nicht die Antwort. Die Kunstwerke an den Wänden sind eine sichtbare Folge der Eigentümerstruktur: Die Würth Finanz–Beteiligungs-GmbH hält 94,42 % der Anteile. Die restlichen 5,58 % gehören der Hypo Vorarlberg Bank AG, einer der führenden österreichischen Banken.
Machermentalität als Teil der Konzern-DNS
Der Würth-Konzern ist ein Industriekonzern mit einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. Reinhold Würth, Jahrgang 1935, trat 1949 als zweiter Mitarbeiter und erster Lehrling in die Schraubengroßhandlung seines Vaters in Künzelsau ein. 1952 schloss er seine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann erfolgreich ab. Im Alter von 19 Jahren übernahm Reinhold Würth 1954 nach dem frühen Tod des Vaters die Geschäftsleitung. Heute ist der Konzern mit über 400 Gesellschaften in mehr als 80 Ländern tätig und beschäftigt über 87.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ungefähr 180 davon gehören zur IBB. Was alle Firmen des Konzerns verbindet, ist das, was man am besten als „Macher–mentalität“ beschreiben könnte: ein unbedingtes Bekenntnis zur Ergebnisorientierung, Bodenständigkeit und der Wille, Dinge anzupacken. Reinhold Würth beschrieb das einmal so: Diese „Machermentalität“ bestimmt das Wachstum des Konzerns von der Gründung bis heute. Von dieser Haltung profitieren Kunden auf der ganzen Welt. Auch die vorwiegend mittelständischen Unternehmenskunden und die sehr unternehmerisch ausgerichteten Privatkunden der IBB.
Kunst ist Kultur. Firmenkultur
Doch was hat es nun mit den Bildern auf sich? Kunst ist ein wichtiger Bestandteil der gesamten Unternehmenskultur und die Aktivitäten der Würth-Gruppe in diesem Bereich sind ein Bekenntnis zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Reinhold Würth gehört zu den größten Kunstsammlern der Welt. Doch anders als sonst oft üblich verschwinden die Werke seiner Sammlung nicht hinter Tresortüren, sondern stehen der Welt offen: Er gründete 15 Museen, die Werke von Nolde, Max Ernst, Magritte, Hans Holbein dem Jüngeren, Lucas Cranach und vielen anderen Künstlern zeigen – in der Regel ohne Eintritt. Und natürlich gibt es Kunst in allen Firmenzentralen der Würth-Gruppe. Auch hier in Friedrichshafen. Für Reinhold Würth ist das ein Ausdruck seiner Philosophie. In einem Interview erklärte er: „Meine These lautet: Jeder Künstler gibt sein Bestes, wenn er ein Kunstwerk erschafft. Es ist wie im Sport: Die Olympia-sieger kommen aus dem Breitensport.“ Er glaubt daran, dass Spitzenleistungen die Menschen motivieren. Oder, bodenständiger ausgedrückt: „Kunst kurbelt die Gedanken an.“
Ich stehe also vor dem Gemälde Risalendo II, Inventarnummer 10301, von Hann Trier, sehe mir die abstrakten Formen, die wie Blumen aussehen, genauer an und frage mich, warum sie mir ein Gefühl von Optimismus und Lebendigkeit vermitteln. Angekurbelte Gedanken.